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Andi geht zu Oscar 2002

12. Februar, 15:00 Uhr

Die Nominierungen sind da. Tom Hanks und Kevin Costner sind nicht dabei, aber dafür Russell Crowe und Dame Judi Dench. Ich betätige mich als Wahrsager und hoffe, die Gewinner so gut zu treffen wie Legolas Orks:

Bester Film: A Beautiful Mind
Beste Regie: Ron Howard für A Beautiful Mind
Bestes Originaldrehbuch: Christopher und Jonathan Nolan für Memento
Bestes adaptiertes Drehbuch: Peter Jackson u. a. für The Lord of the Rings I
Bester Schauspieler in einer Hauptrolle: Russell Crowe in A Beautiful Mind
Beste Schauspielerin in einer Hauptrolle: Nicole Kidman in Moulin Rouge!
Bester Schauspieler in einer Nebenrolle: Ian McKellen in The Lord of the Rings I
Beste Schauspielerin in einer Nebenrolle: Jennifer Connelly in A Beautiful Mind
Beste Kamera: Andrew Lesnie für The Lord of the Rings I
Beste Ausstattung: Catherine Martin und Brigitte Broch für Moulin Rouge!
Beste Kostüme: Catherine Martin und Angus Strathie für Moulin Rouge!
Bestes Makeup: Peter Owen und Richard Taylor für The Lord of the Rings I
Bester Ton: Christopher Boyes u. a. für The Lord of the Rings I
Bester Tonschnitt: Gary Rydstrom und Michael Silvers für Pearl Harbor
Beste visuelle Effekte: Jim Rygiel u. a. für The Lord of the Rings I
Bester Schnitt: John Gilbert für The Lord of the Rings I
Beste Filmmusik (Score): Howard Shore für The Lord of the Rings I
Beste Filmmusik (Lied): Enya für "May It Be" aus The Lord of the Rings I
Bester fremdsprachiger Film: Le fabuleux destin d'Amélie Poulain
Bester Kurzfilm: was immer die Academy gesehen hat
Bester Animationsfilm: Shrek
Bester Animationskurzfilm: was immer die Academy gesehen hat
Bester Dokumentarfilm: was immer die Academy gesehen hat
Bester Dokumentarkurzfilm: was immer die Academy gesehen hat.

Das ergibt die folgende Prognose:

9 Oscars für The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring
4 Oscars für A Beautiful Mind
3 Oscars für Moulin Rouge!
1 Oscar für Le fabuleux destin d'Amélie Poulain, Memento, Pearl Harbor, Shrek und die übrigen Gewinner.

Wird Russell Crowe seinen zweiten Oscar in Folge einsacken? Wird sich Halle Berry in einem verzweifelten Versuch, Nicole Kidmans Sieg in letzter Minute abzuwenden, auf offener Bühne die Kleider vom Leib reißen? Kann Peter Jackson seine Goldprügel für einen Kamm eintauschen? In Kürze nur hier und im Kodak Theatre!

7. März, 20:00 Uhr

Ich erfahre, daß Susann Atwell und Steven Gätjen wieder moderieren werden. Jetzt wird alles gut!

18. März

Ich: "Kommst Du mit ins Kino zur Oscarnacht?" - "Klar, gerne." ...alles wird noch besser!

25. März, 23:30 Uhr

Alles wird furchtbar. Meine charmante Begleiterin und ich - knapp drei Meter groß, mit Schultern wie ein Grizzly, den kräftigen, aber filigranen Händen eines Gibbons und dem stahlharten Blick eines Steinadlers (zur Oscarnacht gehören immer auch larger-than-life-Figuren) - stehen auf dem rotgefärbten Filzläufer vor dem örtlichen Multiplex (ich fühle mich wie Julia Roberts in einer raffinierten Kreation von Jean-Paul Gaultier) und werden vom lokalen Travestiekünstler Fräulein Wommy Wonder begrüßt, einem zwei Meter großen, nie versiegenden Quell schaler Witze. Ihm zur Seite stehen der Zeremonienmeister Michael Gaedt, der wie eine Mischung aus der Big Brother-Nervensäge Alex Jolig und Elvis zu seinen Las Vegas-Zeiten aussieht, zwei welke Tangotänzer, ein "Zauberer", der auch gut ein betrügerischer Hütchenspieler sein könnte, und eine "Sängerin" aus dem "Musical" "Tanz der Vampire". Erstmal Willkommenssekt.

Do
Kate Winslet
Don't
Gwyneth Paltrow

Finde zehn versteckte Unterschiede zwischen dem linken und dem rechten Bild.

Mitternacht

"Laaallaaaaalllaaaaaallllaaaaallaaaaaaa Liiiiiiieeeeeeeebbbbbeeeee Laaallaaa..." Sekt ist aus.

26. März, 1:00 Uhr

Wommy eröffnet die Treppe nach oben zum Buffet. Vom Dauerfeuer der "künstlerischen" Darbietungen arg geschwächt, können wir uns gerade noch zu einigen wenigen Bagels, Muffins, Bananen, Aprikosen, Maultaschen und Softdrinks durchschlagen, bevor wir satt wie Fastfood-Amerikaner in den Saal torkeln. Jetzt die ABC-Übertragung!

1:30 Uhr

Jetzt Steven Gätjen. Das Moderationswunder betört die elegante Kate Winslet mit einer farblich zu ihrem atemberaubenden Kleid passenden Rose, plauscht mit Will Smith auf deutsch über Alkoholvorlieben, interviewt Halle Berry, die nichts zu sagen hat, aber das sehr schön, und ertrinkt in Uma Thurmans fantastischem Dekolleté. Unser Mann in Hollywood! Susann Atwell unterstützt ihren Kollegen durch fachmännisch lichtschnelles Zwinkern. Wie ein fröhlicher Besuch bei wunderlichen, aber sehr alten Freunden, von denen man längst vergessen hat, warum sie überhaupt je Freunde wurden!

Do
Reese Witherspoon und Ryan Phillippe
Don't
Jennifer Lopez und Cris Judd

Die Accessoires einer Dame sind ein beredter Ausweis ihres Geschmacks.

1:45 Uhr

Mein alter Freund Steven schnappt hilflos mit seinem Karpfenmund, denn man hat ihm den Ton abgedreht. Vorne stehen Gaedt und Wonder und veranstalten ein Quiz, dessen richtige Antworten sie mangels Recherche selbst nicht kennen. Der Elvis der Siebziger hat immer versucht, seinen durch Medikamentenmißbrauch angeschwollenen Bauch durch obszön große, juwelenbesetzte Gürtel zu kaschieren.

2:00 Uhr

Susann sitzt mit George Clooney im Studio! Die nicht sehr kompetente, aber heute ein tief ausgeschnittenes dunkelblaues Kleid tragende Moderatorin strahlt. Leider öffnet Clooney seinen Mund und gibt in vollem Ernst triviale Platitüden als Expertenwissen aus. Es ist natürlich nur Aiman Abdallah, der prompt zu den "24. Academy Awards" überleitet.

2:15 Uhr

ABC. Die Moderatoren interviewen eine kichernde Nicole Kidman und eine rotwangige Renée Zellweger in nicht sehr aufregenden, aber wenigstens stilsicheren Kleidern. Die rothaarige Australierin kann noch schöner nichts sagen als Halle Berry. Sean Astin redet dafür umso mehr. Kate Winslet hat auch etwas zu sagen, ihr rotes Kleid ist aber immer noch viel zu gelungen, um darauf achten zu können.

2:30 Uhr

Tom Cruise redet von Apocalypse Now, Patriotismus und Magie und bleckt die Zähne, meint damit aber nur, daß er doch heterosexuell sei. Schnell flieht er, um seiner Ex-Frau nicht begegnen zu müssen, die wie in Moulin Rouge! in einem glänzenden Federnkostüm auf einem Trapez ins Kodak Theatre einschwebt. Aus der Nähe stellt sich Nicole Kidman jedoch als Whoopi Goldberg heraus, die aber zum Glück zu ihrem Auftritt nicht singt, was sie für den Rest des Abends so sympathisch wie genießbar macht. Dann läßt Benicio Del Toro eine an den falschen Stellen abgemagerte Jennifer Connelly in einem farblosen Kleid aus recyceltem Zeitungspapier wie erwartet den Nebendarstellerinnen-Oscar gewinnen und von einem Zettel ablesen.

Black Hawk Down und The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring gewinnen Schnitt und Makeup. Die Gewinner lesen von Zetteln ab. Ryan Phillippe und seine Ehefrau Reese Witherspoon, der eine cool, die andere umwerfend wie immer, lächeln, obwohl beide kaum über das Rednerpult hinwegsehen können.

Nach einem lustigen Einspieler mit Ben Stiller und Owen Wilson liest Catherine Martin für das Kostümdesign von Moulin Rouge! ebenfalls von einem Zettel ab. Ein hibbeliger Woody Allen kommt als Überraschungsgast und präsentiert von Nora Ephron zusammengestellte Filmschnipsel über New York. Auch der Experte Aiman Abdallah ist ganz begeistert und weist darauf hin, daß Whoopi Goldberg bereits einmal ihr Kostüm gewechselt hat. Aber wo ist Steven?

Andrew Lesnie gewinnt seinen verdienten Kamera-Oscar. Nach Helen Hunt und Samuel L. Jackson, der in bewährter Manier unbekannte Dokumentarfilme auszeichnet, ist erstmal Pause, und Glenn Close und Donald Sutherland, die hinter den Kulissen bleiben müssen, leiten fließend zur Werbung über. Ob man sich mit "Fa"-Produkten so tolle nackte Mädchen wie im Spot angeln kann?

Do
Naomi Watts
Don't
Cameron Diaz

Blond? Schlank? Blaue Augen? Ganz klar - da muß sofort ein Sofabezug her!

4:00 Uhr

Cameron Diaz recycelt ein Kleid aus Charlie's Angels und gibt den Ausstattungs-Oscar an Moulin Rouge!, Charlize Theron knutscht Technikoscar-Computerfreaks, und Shrek gewinnt wie vorausgesehen den Animations-Oscar. Langeweile macht sich breit. Ohne Steven ist auch Susann nur ein Schatten ihrer selbst. Aiman liest ab, um festzustellen, welches Jahr wir haben.

Halle Berry (in einem Kleid aus Pflanzen- und Geschenkpapierresten) küsst ebenfalls, und zwar die Soundfreaks, die für Black Hawk Down und Pearl Harbor gewinnen. Ein kleiner Dicker grinst bis über seine beiden fleischigen Ohren.

Endlich Aufregung. Nicht Ian McKellen, sondern Jim Broadbent gewinnt den Nebendarsteller-Oscar. Sauerei! Steven würde den Academy-Wichten schon zeigen, wo es langgeht! Aiman dagegen zählt nur müde die neuerlichen Kostümwechsel Whoopi Goldbergs, die mit haarigen Füßen auf den Clip zu The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring einstimmt. Danach feiert der Cirque Du Soleil, von einer faltigen Maggie "Family" Smith und einem sichtlich enttäuschten Sir Ian McKellen angekündigt, in einer spektakulären Performance Spezialeffekte in Filmen, deren diesjährigen Oscar natürlich The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring einstreicht. Der Fachmann Abdallah rechnet auf seinem Fingertaschenrechner vor, daß Peter Jacksons Werk jetzt schon drei der goldfarbenen Britanniumknüppel erhalten hat.

Ist das endlich Steven? Nein, nur ein gedunsener Ryan O'Neal und eine gequollene Ali MacGraw, die dem aufgeblasenen Arthur Hiller Gelegenheit zu einer schwammigen Rede geben. Danach John Williams mit einem gedehnten Soundtrack-Medley, Howard Shore mit einer kurzen und Sidney Poitier mit einer langen Dankesrede, der überbreite Wommy Wonder und der beengte Geist Aiman Abdallahs. Susann beginnt, unruhig auf ihrem Hocker herumzurutschen und mit ihren langen Wimpern sehnsüchtig nach links und rechts zu blicken, um zu sehen, ob Steven sie nicht doch noch erlösen kommt. Worauf wartest Du, Supermoderator?

Auf noch mehr schöne Frauen? Naomi Watts läßt For the Birds gewinnen und bezaubert in einem raffiniert geschnürten schwarzen Kleid, neben Sting, Randy Newman, John Goodman und dem guten alten Paule McCartney singen das Country-Mäuschen Faith Hill und eine übernervöse Enya von Krieg und Liebe, und J.Ho erbarmt sich endlich des Dauernominierten Randy Newman. Erbarme auch Du Dich unser, Steven!

Do
Renée Zellweger
Don't
Halle Berry

Trotz einer großen modischen Steigerung blieb Renée Zellweger der Oscar versagt.

5:30 Uhr

Es sieht nicht danach aus. Gwyneth Paltrow deformiert ihre Brüste in einem zerrupften braunen Oberteil, das an die nackte, faltige Brust des alternden Harrison Ford erinnert. Ethan Hawke lächelt trotzdem glücklich im wohligen Wissen, Will Smith verprügelt zu haben und sich bald wieder neben seine wohlgeformte Uma setzen zu können, und gibt die Drehbuch-Oscars skandalöserweise an A Beautiful Mind und Gosford Park statt The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring und Memento. Auch der Operierende Thetan John Travolta grinst - vielleicht, weil er dem bösen Xenu wieder eine bittere Niederlage versetzt hat, wer weiß -, als er Le fabuleux destin d'Amélie Poulain zugunsten des bosnischen No Man's Land ins Abseits stellt. Steven wüßte schon, was er dazu sagen würde! Die arme Susann ist schon ganz aufgelöst, auch weil im üblichen, diesmal von Kevin Spacey moderierten Totenclip selbst der nur gelegentlichen Schauspieler George Harrison und Aaliyah gedacht wird. Eines Tages dann bestimmt auch Susann Atwells!

Whoopi Goldberg stellt Moulin Rouge! vor und behauptet, der Film sähe so aus, als hätte es keinen Regisseur gegeben. Das saß. Der Hans Guck-in-die-Luft Baz Luhrmann ist beleidigt und Whoopi noch sympathischer. Barbra Streisand nicht, aber sie läßt zum Glück meistens Robert Redford zum Dank für seinen Ehrenoscar reden (endlos und salbungsvoll).

Nicole Kidman gewinnt nicht. Wir sehen es nicht, können uns aber lebhaft vorstellen, wie Susann vor Schreck in Ohnmacht fällt und keiner da ist, um sie aufzufangen, da Aiman noch immer auf seinen Fingern zählt. Mit Steven wäre das nicht passiert! Halle Berry bricht fast weinend zusammen, aber das wie immer sehr schön. Dank geht an alle von ihrer Hebamme bis zu Warren Beatty und (implizit) Gwyneth Paltrow, deren Tip "Titten raus!" auch in diesem Jahr wieder Gold wert war. Denzel Washington profitiert nicht von seinem Busen, gewinnt dank Russell "Das Tier" Crowes Vorliebe für Hinterhofprügeleien und Julia Roberts' Lobbyarbeit aber trotzdem, und selbst Ron Howard kann sich freuen, der im Tumult unbemerkt, klammheimlich und völlig unverdient den Regie- und Filmoscar für A Beautiful Mind einsackt.

Whoopi geht, Susann guckt traurig und Aiman schwachköpfig, beide verabschieden sich, ich wecke meine Leidensgenossin, und wir stolpern ins Licht. Die Sonne erinnert an das strahlende Lächeln Stevens. Nächstes Jahr wird alles besser!

Epilog

Hier sind die Gewinner. Von zwanzig gemachten Prognosen habe ich elf richtig und neun falsch getippt. Nächstes Jahr höre ich vorher mehr auf Steven!

Bester Film: A Beautiful Mind
Beste Regie: Ron Howard für A Beautiful Mind
Bestes Originaldrehbuch: Julian Fellowes für Gosford Park
Bestes adaptiertes Drehbuch: Akiva Goldsman für A Beautiful Mind
Bester Schauspieler in einer Hauptrolle: Denzel Washington in Training Day
Beste Schauspielerin in einer Hauptrolle: Halle Berry in Monster's Ball
Bester Schauspieler in einer Nebenrolle: Jim Broadbent in Iris
Beste Schauspielerin in einer Nebenrolle: Jennifer Connelly in A Beautiful Mind
Beste Kamera: Andrew Lesnie für The Lord of the Rings I
Beste Ausstattung: Catherine Martin und Brigitte Broch für Moulin Rouge!
Beste Kostüme: Catherine Martin und Angus Strathie für Moulin Rouge!
Bestes Makeup: Peter Owen und Richard Taylor für The Lord of the Rings I
Bester Ton: Michael Minkler u. a. für Black Hawk Down
Bester Tonschnitt: Gary Rydstrom und Michael Silvers für Pearl Harbor
Beste visuelle Effekte: Jim Rygiel u. a. für The Lord of the Rings I
Bester Schnitt: Pietro Scalia für Black Hawk Down
Beste Filmmusik (Score): Howard Shore für The Lord of the Rings I
Beste Filmmusik (Lied): Randy Newman für "If I Didn't Have You" aus Monsters, Inc.
Bester fremdsprachiger Film: No Man's Land
Bester Kurzfilm: The Accountant
Bester Animationsfilm: Shrek
Bester Animationskurzfilm: For the Birds
Bester Dokumentarfilm: Murder on a Sunday morning
Bester Dokumentarkurzfilm: Thoth.

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