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Oi! Warning

-- Überambitioniert? --

Szene aus Oi! Warning

Info über Oi! Warning (D 1999)

Regie: Benjamin Reding, Dominik Reding

Darsteller: Sascha Backhaus, Sandra Borgmann, Charles Müller, Jens Veith, Simon Goerts, Britta Dirks

Inhalt: Der jugendliche Schulversager Janosch reißt von zu Hause aus und kommt bei seinem Kumpel Koma und dessen Skin-Freunden unter.

Kritik: Die traurigerweise auch Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nicht einmal ansatzweise bewältigte Vergangenheit durchdringt Deutschland bis heute, giftig-ansteckenden Tentakeln gleich. Von Martin Walsers unsäglicher Paulskirchenrede über die Verschleppung der Zahlung lächerlicher Summen an ehemalige Zwangsarbeiter bis zur Unfähigkeit, Grabmäler und Synagogen jüdischer Mitbürger angemessen schützen zu lassen (daß es auch bei angemessenem staatlichen und privaten Schutz mehr als bedrückend ist, in einem demokratischen Land Kirchenstätten bewachen lassen zu müssen, um zu verhindern, daß Brandsätze flackernd durch die Nacht fliegen, machte mir mein Besuch in einer gleichzeitig als Museum fungierenden Synagoge klar, bei dem ich durch einen Metalldetektor laufen mußte und von bulligen Sicherheitsleuten argwöhnisch beäugt wurde) - ein unverkrampft-offener Umgang mit der Thematik fernab aller eskapistischen "Schlußstrich"-Rufe ist noch weit entfernt.

Das zeigt auch der Umgang der zuständigen Behörden mit Oi! Warning, dem Debütfilm der Reding-Brüder. Während selbst platteste sogenannte Komödien noch Förderungsgelder und Qualitätsprädikate in Massen zugeschanzt bekommen, mußte Oi! Warning erst im Ausland Preise zuhauf gewinnen, um hierzulande überhaupt einen Verleih zu finden. Warum es die ganzen Querelen überhaupt gab, ist aber überraschenderweise nach dem Ende des Films weit weniger klar als vor dem Kinobesuch. Denn entgegen aller Presseberichte ist Oi! Warning in Wahrheit gar kein politisches Drama mit provokanten Aussagen zur Stimmung in der Gesellschaft, sondern nur ein etwas überambitionierter Debütfilm um jugendliche Orientierungslosigkeit und Gruppenrituale.

Der junge, von Sascha Backhaus manchmal etwas hölzern, aber ansonsten recht ordentlich gespielte Janosch verläßt seine Familie und entwendet seiner ziemlich gekünstelt schwäbelnden Mutter ihre Kreditkarte. In prätentiösen, schwarzweiß-detaillierten Bildern aus pseudo-originellen Perspektiven, die oft allzusehr den "Wir haben endlich eine richtige Kamera"-Geist atmen, fährt er mit seinem Mofa, der meist gut ausgesuchten Musik lauschend (das "Koma, Koma"-Lied!), zu seinem Freund Koma, der als Brauereiarbeiter sein Geld verdient und in der Freizeit im Kickboxring steht. Dieser Koma, von Simon "The Hammer" Goerts meist gut, aber ab und zu etwas zu aufdringlich-eindimensional gegeben, erfreut sich außerdem der Mitgliedschaft in der lokalen Skin-Szene, in die er den beeinflußbaren Janosch einführt. Die Skins tanzen entweder den (schön gezeigten) Pogo auf einschlägigen Konzerten oder besaufen sich mit Unmengen von Bier, haben aber politisch höchstens die Provokation der "normalen" Bürger im Sinn. Nebenbei bekommt Komas Freundin Sandra (Sandra Borgmann mit der besten Leistung des Filmes als Hausfrau mit aufgesetzt-einstudierten Grimassen - die "Blanca, begleite doch Janosch zum Steg"-Einstellung ist hier das Paradebeispiel) noch Zwillinge, und Janosch verliebt sich im Geschichtsunterricht des sadistisch-exekutionsfetischistischen Lehrers (Charles Müller als Ronny Cox-Verschnitt mit brutal zuckendem Mundwinkel) in die korpulente Blanca (Britta Dirks mit einer vorhersehbar-langweiligen Darstellung).

Kritiker warfen Dominik und Benjamin Reding stilistische Nähe zur meisterhaften Nazi-Propagandafilmerin Leni Riefenstahl vor, offenbar aufgrund der gelungenen Darstellung der homoerotischen Komponente des Skin-Daseins in seltenen Aufnahmen muskulöser Männerkörper im schwarzweißen Gegenlicht. Dieser Vorwurf greift natürlich zu kurz und belegt nur die phantasielose Unkenntnis der besagten Unken - über die 1:1-Kopie einer Riefenstahl-Szene am Ende von Star Wars: Episode I - The Phantom Menace hat sich seltsamerweise niemand aufgeregt, vielleicht weil sie in Farbe gefilmt und mit lustigen Außerirdischen gefüllt war. Über dieses Mißverständnis hinaus liefern Janoschs Abenteuer mit seinen Skin-Freunden keinen politischen Zündstoff, sondern handeln vom rauhen Umgangston in der Glatzkopfgruppe oder versuchen, das eintönige Leben der Menschen in Janoschs Umgebung auf durchsichtige Weise zu porträtieren (Blancas beim Fernsehen einschlafende Eltern mit dem Vater im Feinripp-Unterhemd, Sonnenbaden am Baggersee, zünftige Zimmermänner...). Ein paar überflüssig-lächerlich-plakative Stereotypen (der reiche Streber, der sich bei jeder Frage des Lehrers ehrgeizig meldet, "Punks stinken und leben alle in Bauwagenkolonien, aber sind eigentlich ganz friedlich und intelligent", ein Türke gewinnt einen Boxkampf gegen Koma...) verwässern das etwas ziellose Skript zusätzlich. Einzig Janoschs Beziehung mit dem feuerspuckenden Punk Zottel (Jens Veith als pausbäckig fabulierender Stachelkopf), die in einer Tragödie endet, bringt frischen Wind und eine neue Perspektive in die Geschichte und wirft recht melodramatisch Fragen persönlicher Verantwortung und Selbstachtung auf.

Als leicht forcierte Einführung in die kaum bekannte Szene der nicht rassistischen Bier- und Pogoskinheads geht das unpolitische Debütwerk der Redings also durchaus an. Es fragt sich nur, inwieweit dem Durchschnittszuschauer solche Nuancen begreiflich sind - jener statistischen Person also, die ein Kino nicht von einer Telefonzelle unterscheiden kann.

***von 5 Sternen.

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