Kritik:
Und wieder holt
die Wirklichkeit die Fiktion ein: gerade, als ich diese
Kritik schreibe, wird der Qualitätssender RTL 2
abgemahnt, zukünftig das penetrante Product Placement
in seiner "Reality"-Serie "Big Brother" doch bitte zu
unterlassen. Sie sind dabei etwa so subtil und lachhaft
vorgegangen wie die Mitspieler in Trumans
"Leben".
Ja, man
spürt die Sozialkritik, die mahnenden Worte, den
erigierten Zeigefinger des Drehbuchautors buchstäblich
und etwas aufdringlich - ein bißchen mehr
Subtilität wäre hier besser gewesen - am eigenen
Leib, wenn man sich The Truman Show ansieht. Der
gottgleiche und etwas aufdringlich "künstlerisch"
benannte Christof als großer Bruder, die
allgegenwärtige, böse Werbung, die Grenzen der
Fernsehunterhaltung, der Ausbruch aus der bekannten Umgebung
und letztlich aus der alten Welt (wie der Wanderer auf dem
mittelalterlichen Kupferstich, der seinen Kopf staunend
durch den Rand der Himmelskuppel steckt), alle diese
Implikationen, Fragen und Anregungen will der Film
aufwerfen.
Seltsamerweise
benutzt Peter Weir dafür den kanadischen
Grimassenreißer Jim Carrey. Dieser hält sich mit
seiner Gesichtsakrobatik zurück und bemüht sich,
den unschuldigen Truman feinfühlig zu verkörpern,
was ihm zum großen Teil auch gut gelingt. Carrey ist
nicht Laurence Olivier, aber einige berühmtere Kollegen
spielt er allemal an die Wand. Passabel unterstützt
wird er von seinen ebenfalls nicht erstklassigen, aber
dennoch gut erträglichen Mitspielern, die in eher
langweiligen Sets, aus ungewöhnlichen Perspektiven
aufgenommen, der überraschungslosen Musik lauschen und
Truman ihre Rollen vorgaukeln, bis er mit den ganzen
erwähnten sozialethischen Implikationen hinter die
Sache kommt und am Ende in einer schönen Szene das
"Ende der Welt" erreicht.
Zu kippen
droht das Ganze nur da, wo das sozialkritische Drama witzig
sein will und von lauen Sprüchen bis zu platten
Scherzen - von Carrey genüßlich zelebriert - alles
auffährt, was keiner sehen will. Jim Carrey hat das einmalige Talent, ausnahmslos jeden Film durch seine lächerlichen und haarsträubenden Grimassen völlig zerstören zu können und braucht daher einen durchsetzungsstarken Regisseur, der ihm zeigt, wo es langgeht. Peter Weir muß beim Dreh von The Truman Show wohl manchmal sein Megaphon vergessen haben, denn oft pendelt der Film zwischen zwei Welten, kann sich weder für
die eine noch die andere Richtung entscheiden, schadet sich
so selbst und findet schließlich in der
unglücklichen Verquickung beider Stränge ein
unpassendes Ende, das mehr an eine seichte Komödie als
an ein ernstzunehmendes Drama gemahnt. Das hat Andrew Niccol
mit Gattaca besser gelöst, und wer in der
Videothek die Wahl hat, sollte lieber zu jenem Film greifen.
Uma Thurman spielt da nämlich auch mit.
1/2 von 5 Sternen.
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