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Strange Days

-- Millennium? Kalter Kaffee! --

Szene aus Strange Days

Info über Strange Days (USA 1995)

Regie: Kathryn Bigelow

Darsteller: Ralph Fiennes, Angela Bassett, Juliette Lewis, Tom Sizemore, Michael Wincott, Vincent D'Onofrio

Inhalt: Liebe und Tod in Los Angeles zur Jahrtausendwende.

Kritik: Als ich Strange Days seinerzeit (1995) sah, schien das Millennium noch ewig weit weg; wohl deshalb konnten sich nur wenige Zuschauer mit der Geschichte anfreunden. Die Studios haben nun aber einmal etwas Vernünftiges getan und den Film rechtzeitig zum magischen Datum neu in die Kinos gebracht. Grund genug, ihn endlich zu besprechen.

Strange Days ist ein Film allein fürs Kino, und deswegen kann ich jedem nur empfehlen, ihn unbedingt dort anzusehen. Auf jedem noch so großen Fernsehschirm büßt er seine Wirkung fast vollständig ein - die Massenszenen werden zu Kammerspielen, die pulsierende Musik krächzt nur noch aus den Lautsprechern, und jedes bißchen apokalyptische Atmosphäre verpufft in den Ritzen des Fernsehsessels zwischen einem zerkrümelten Kartoffelchip und anderen Dingen, die ich mir nicht einmal vorstellen will. Allein die Anfangsszene (die die Richtung vorgibt), in der die Kamera und mithin der Zuschauer selbst wirklich einen Überfall verüben (mit Todesfolge), kann ihre magische Anziehungskraft nur in - und hier seien sie einmal gelobt - möglichst großen Multiplex-Sälen mit Dolby Digital und THX entfalten. Man fühlt sich in den expressiven Clip-Szenen wirklich im Film, ist ein wahrhafter Teil des Geschehens und um so erschütterter von der Gewalt, die man erfährt (und selbst ausübt) - ein 3-D-Trip ohne Brille, eine innere Selbsterfahrung mit den Augen, kurz: ein einmaliges Erlebnis. Die brutal-kompromißlosen Gewaltorgien könnten empfindsamen Gemütern zusammen mit der realistischen Präsentation allerdings durchaus schlecht bekommen.

Aber auch wenn er nicht gerade in einem Clip schwelgt, ist der Film ein visuelles Meisterstück und zeigt detailgenau und stylish ein von Kriminalität verseuchtes, urban-neonleuchtendes, vor dem Jahreswechsel gespannt den Atem anhaltendes Los Angeles. Die ganz hervorragend ausgewählte, eindringlich wummernde Musik - unter anderem von Skunk Anansie - (wenn in Deinem CD-Regal zwischen zwei E-Rotic-Platten noch Platz ist, dann kauf Dir den Soundtrack) und die suggestive Kamera tragen dazu bei, daß man glaubt, den Asphalt zu spüren und die pulvergeschwängerte Stadtluft zu riechen. Kathryn Bigelows eigenartig kraftvoll-energische Art, visuell expressive und außergewöhnliche Actionfilme zu drehen, geht hier mit James Camerons Sci-Fi-Story in eine atemberaubende Synthese über und macht Bigelow so zu einem meiner Lieblingsregisseure.

Auch die Schauspieler wie Ralph "Dackelblick" Fiennes, Angela Bassett und Juliette Lewis sind sehr gut, aber die beste Performance ihrer jeweiligen Karrieren ist Strange Days leider nicht - dafür sind die Charaktere etwas zu ungenau gezeichnet, und einige Aspekte der Story sind auch nicht gerade neu (alte Krimihüte, Rodney-King-Parallelen...); vor dem opulenten Hintergrund heben die Akteure sich irgendwie nicht so sehr ab und wirken mitunter in der Bilderflut etwas verloren. Dennoch gibt es bemerkenswerte Szenen wie Juliette Lewis' PJ Harvey-Gesang oder das Millennium-Finale.

Insgesamt also erhält Strange Days als Thriller "nur" ein "gut", stellt dafür aber einen außergewöhnlichen, herausragenden, seiner Zeit weit voraus gewesenen Actionfilm dar, einen der besten, ausgefeiltesten und intelligentesten seiner Zunft, der einen gleich Hunderte Armageddon vergessen läßt. You know you want it!

****von 5 Sternen.

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