Kritik:
Na also, es ist ja
doch möglich, eine gute Verfilmung von William Shakespeares unvergeßlichem "Romeo und Julia"
abzuliefern. Nach der traumatischen Erfahrung der
Baz-Luhrmann-"Verfilmung" hatte ich meinen Glauben an den
Stoff fast schon verloren, aber Zeffirellis
Achtundsechziger-Film hat mich gerettet.
Mit etwas
den Zeitgeist verratenden, üppigen Pilzkopffrisuren und
schönen, detailreichen Kostümen agieren die
durchgehend guten bis hervorragenden Schauspieler in
mittelmäßigen bis guten, schön gefilmten
Kulissen und bringen mit viel Engagement, nah am
Originaltext und am Stück, unterstützt von
manchmal etwas zu sentimentaler Musik Shakespeares
Stück auf die Leinwand. Die niedrige Altersbewertung
verhindert, daß man bei den Schwertkämpfen mehr
sieht als ein bißchen Kunstblut, und nach der ersten
Nacht, der heißesten nie gezeigten Liebesszene aller
Zeiten, zieht Julia unrealistischerweise wie in
Hollywoodfilmen üblich die Bettdecke bis zum Kinn hoch;
dennoch zeigt sich Zeffirellis Film in dieser Hinsicht
freizügiger als Luhrmanns Streifen. Eine auch schon in
Dangerous Liaisons/Cruel Intentions zu
beobachtende bedenkliche Entwicklung hin zu mehr
Prüderie.
Trotz
fehlendem Splatter sind die Kampf- und Martkszenen dennoch
dynamisch und spritzig und verleiten zum Mitfiebern - so
genau sind die einzelnen Figuren getroffen, so schön
sind die unterschiedlichen Charaktere von Tybalt über
Mercutio bis hin zur Amme gezeichnet, daß man nur
staunen kann. Den Kontrast zu den staubigen Kämpfen
bilden die Szenen zwischen Romeo - der vom jungen Leonard Whiting sehr überzeugend
schmachtend und heißblütig verkörpert wird -
und Julia - die von der noch jüngeren,
hinreißend nach einer jungen Isabelle Adjani
aussehenden Olivia Hussey ab und zu etwas übertrieben
großäugig schluchzend, aber meist schön
romantisch und in der Blüte der Jugend stehend gegeben
wird -, die an Intensität, Romantik und Gefühl
ihresgleichen suchen. Wunderbarerweise schafft es Zeffirelli
dabei, Kitsch und Schmalz durch eine unaufdringliche
Inszenierung fast ganz zu vermeiden und macht den Film so
noch genießbarer.
Zusammengefasst
also etabliert sich Franco Zeffirellis Romeo and Juliet
als werkgetreue, schön ausgestattete und prima
gespielte Version des Klassikers, die frei von Klischees und
Plattheiten bleibt und so jedem zu empfehlen ist, der Leos
Kurz- und Claires Bauerngesicht nicht mehr sehen kann.
1/2 von 5 Sternen.
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