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Road to Perdition

-- Kirchenmalerei im Kino --

Szene aus Road to Perdition

Info über Road to Perdition (USA 2002)

Regie: Sam Mendes

Darsteller: Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Stanley Tucci, Tyler Hoechlin

Inhalt: Der Mafiakiller Michael Sullivan und seine "Familie" wenden sich voneinander ab.

Kritik: Mit einem massiven, kaum einen Fuß großen, immerhin drei Kilo schweren Knüppel kann man allerhand anfangen: den verstopften Abfluß reinigen, Nägel in die Wand hauen, Teig rollen, Fleisch klopfen und nicht zuletzt den bösen Maulwurf im Garten jagen. Keiner weiß, was Steven Spielberg, Halle Berry oder John Toll mit ihren Oscars sonst noch machen, aber allein die Aussicht auf einen der goldüberzogenen Britanniumprügel läßt sie und alle ihre Kollegen hecheln und rotieren wie nervöse Chihuahuas, oder, in Marlon Brandos Fall, wie ein umgekipptes Sülzefaß.

Auch beim, ja doch, Genuß von Sam Mendes' neuem Film Road to Perdition kann man sich fast bildlich vorstellen, wie der zum Weinen geniale Kameramann Conrad L. Hall jeden Abend am Set in seinen Wohnwagen zurückkehrt, Ravioli kocht, nachher den Herd poliert und sich vorstellt, es wäre sein Kaminsims, der eine Trophäe mehr tragen müßte, mal wieder; zur gleichen Zeit entspannt sich der Komponist Thomas Newman an seinem Flügel und träumt, er spiele für den goldenen Ritter, auf Augenhöhe; Tom Hanks läßt im Geiste seine zwei Goldmänner mit einem neuen, dritten paradieren; und worauf schließlich der doch bereits mit seinem Filmdebüt American Beauty so sehr oscarverwöhnte Sam Mendes hofft, weiß wohl nur die bezaubernde Kate Winslet.
Dem nach einem Comicbuch entstandenen Road to Perdition tut all die Hofferei und Träumerei insofern etwas Abbruch, als daß vor lauter manchmal gar zu forcierten "I'd like to thank the Academy"-Kniffen die Geschichte des Films zu verschwimmen und zwischen den wundervollen Einstellungen zu versinken droht, so daß am Ende nur Bilder und Töne zurückbleiben, nicht aber Gefühle und Stimmungen.

Exzellent sind Newmans Stücke und Halls Kompositionen jedoch auf jeden Fall: wenn Michael Sullivan (Hanks) und sein Sohn Michael (Tyler Hoechlin) aus der Provinz ins Chicago des Jahres 1931 einfahren, staunt man mit ihnen die zahllosen Hochhäuser entlang zum Himmel hinauf; die Vorstellung Jude Laws als sadistischer Fotograf und perfider Mordbube vermittelt dank des berüchtigten Vertigo-Effekts unterschwellig-brillant die Botschaft, daß mit diesem Mann etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist; und als der junge Michael, Symbol seines Heranwachsens, buchstäblich über den Rand (eines Sarges) hinaussieht, sieht er das starre Gesicht eines Toten, als makabrer Vorbote der Welt jenseits des Endes der Kindheit. Allein Conrad L. Halls Kunst wegen könnte Road to Perdition sich auch vier oder fünf Stunden erlauben, wo er sich nur die üblichen zwei nimmt, die allerdings in herrlicher Ruhe.

Zum Können des greisen Kameramanns gesellt sich auf der anderen Seite der Linse das eines unglaublicherweise noch älteren Mannes: Paul Newman als (v)erbitterter Pate verdient jedes Lob, das er für diese Rolle bekommt, die er trotz aller titanischen Vorgänger von Stereotypen gänzlich freizuhalten versteht. Dem weitaus jüngeren Stanley Tucci gelingt das zwar auch, allerdings wirkt sein Frank Nitti dafür auch nicht wie ein mächtiger Mafiaboss, sondern wie ein eher zufällig in den Chefsessel gespülter Buchhalter aus der Registratur.
Leichtes Spiel hat der hier etwas sparsam, aber glaubwürdig aufspielende Hanks als Sullivan mit Nitti trotzdem nicht, als er ihn, auf der Flucht aus der Provinz nach Chicago, vergeblich um Arbeit ersucht. Nitti und Rooney (Newman) hetzen ihm, dem einst zuverlässigsten Mafiakiller Rooneys, zur Rettung von Rooneys mißratenem, fehlgegangenen leiblichen Sohn Connor sogar den Fotografen und Auftragsmörder Maguire (Jude Law in einem kläglich mißlungenen Versuch, nicht gut auszusehen, dafür aber gewohnt talentiert) auf den dicken Hals. Ob Sullivan und sein Sohn, die mit geräuschlosen Banküberfällen der Mafia Nadelstiche versetzen, oder Maguire zuerst zum Haus von Sullivans Verwandten am endlosen Michigansee gelangen, ist die Frage der zweiten Hälfte des Films, der sich anfangs unerbittlich düster und regnerisch, ab der zweiten Stunde aber ein wenig humoristisch gibt, um kurz darauf nur noch dunkler und nasser zu werden, bis zum Finale am See. Der religiösen Anspielungen sind es auf dem Weg zu dieser Verdammnis ("perdition") einige mehr oder minder gut verborgene, und die Beziehungen zwischen Vater und Ziehsohn, Vater und Sohn in der Mafia und Vater und Sohn auf der Flucht werden näher ausgeleuchtet, letztere freilich oft nicht sehr viel eleganter, als Sullivan vermag, seinen Sohn zu fragen, ob er Mathe gern hat.

Überhaupt hat Road to Perdition bisweilen so seine Probleme mit Beziehungen, zum Beispiel der der Zuschauer zu den Akteuren: die übervollkommene Inszenierung, die meist zwar hervorragenden, aber minimalistischen Darstellungen und der einige Male nur oberflächliche Anriß wichtiger Themen, der diese so nur wie tausendmal gesehene Klischees aussehen läßt, geben Mendes' Film schließlich zwar nicht die Anmutung einer Seifenblase, aber doch die einer mit einmalig kunstvoll bemaltem Marienglas umhüllten Ikone. Faßt man aber näher hin, um auch das Innere von Mendes' Werk in Augenschein zu nehmen, das ganz körperlich zu fassen, was so kunstreich beschützt wird, zerbricht das Glas, die sich gegenseitig stützenden Bilder werden zu Gipsstaub, und in den Händen, in der Seele bleibt - nichts.

***1/2 von 5 Sternen.

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