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Pearl Harbor

-- Schnell Ken, brausen wir mit dem Barbie-Cabrio davon! --

Szene aus Pearl Harbor

Info über Pearl Harbor (USA 2001)

Regie: Michael Bay

Darsteller: Ben Affleck, Josh Hartnett, Kate Beckinsale, Cuba Gooding Jr., Alec Baldwin, Jon Voight

Inhalt: A-ratta-tatta-zumm-wumm! Braa-karacks-zong! Kawumm-Wuusch-klonk! Ratta-tatta-taa!

Kritik: Michael Bay macht einen Liebesfilm. Michael Bay. Einen Liebesfilm. Und während diese vier Worte langsam einsickern, sind wir schon - ratta-bratta-zäng! - mitten in der Kritik, denn Zeit ist heuer rar, so rar, daß Meister Bay es in den ganzen drei Stunden seines Kriegsepos nicht schafft, Zeit für eine einzige gelungene Szene zu finden. Schnell - kracka-bawumm! - weiter!

Michael Bay also - brat-tat-tat-tat-zoooom! - dreht einen Liebesfilm, und weil zu einem richtigen Liebesfilm goldene Sonnenuntergänge, sprühende Gischt und stramme Palmen gehören, dreht Bay ihn auf Oahu, einer der hawaiianischen Inseln. Wie praktisch, dort liegt ja Pearl Harbor! Wie praktischer, Pearl Harbor wurde im Zweiten Weltkrieg ja ganz fürchterlich zerbombt! Wie am praktischsten, das eröffnet ja ungeahnte Möglichkeiten für Action und Explosionen! Action! Explosionen! Glühend heiße Feuerbälle! In Agonie verzerrte und verbrannte Körper! Hei, da lacht Michael Bay, und schon ist Pearl Harbor geboren, der größte Film der Welt, des Universums, vielleicht sogar der größte Film der USA!
Vor diese orgasmischen Superlative, diese leidenschaftlichen Eruptionen aus Gas, Feuer und Rauch, diese unwiderstehlichen Penetrationen der Schiffsleiber durch Torpedos aber hat Bay, ein kleiner Sadist gar, das Warten gesetzt. Das Warten darauf, daß etwas geschieht, daß vielleicht ein fähiger Schauspieler auftaucht, jemand, der einen Satz absondert, der nicht peinlicher ist als das, was wir mit zwölf von uns gegeben haben, jemand, dessen mimisches Ausdrucksvermögen über das von Kens angeschweißter Unterhose hinausgeht.

Indes, Bay hat nur Ben Affleck und Kate Beckinsale, und so wie Barbie und Ken ihre Knie nie beugen können, weil ihnen das Scharnier fehlt, können auch die beiden Turteltauben immer nur eine Emotion auf einmal zeigen, ganz so wie Lego-Männchen, denen man jedesmal, wenn man sie traurig machen möchte, einen neuen Mund aufmalen muß. So staksen Affleck, hier ein analphabetisches Fliegeras mit zackiger Uniform, meist so fotografiert, als gälte es, Nietzsches Übermenschen neu zu interpretieren, und Beckinsale, hier ein tugendhaftes und "gefühlvolles" Karbolmäuschen, ohne Kniegelenke durch die amerikanischen Militäranlagen, und wir erfahren, daß Bay und sein Drehbuchautor den romantischsten Moment im Leben einer Frau darin sehen, daß ihr Geliebter einen - Achtung, Brüller! - Champagnerkorken auf die Nase bekommt. Unbeholfen und ganz so, als sei es ihr überaus lästig und peinlich, klebt John Schwartzmans hektisch-wacklige Kamera auf den starren, bonbonbunt eingefärbten Gesichtern und schneidet ihnen dabei regelmäßig die Stirnen ab (ein Schelm, wer hier eine versteckte Symbolik vermutet...), und wäre da nicht der sympathische Josh Hartnett als eine Art männliche Skipper, wäre der viel zu lange erste Teil von Pearl Harbor ganz und gar verloren.

Affleck nämlich, seit der kornfeld-kitschigen Kinderzeit in Tennessee der beste Freund Hartnetts, lernt zuerst die adrett-attraktive Kate Beckinsale so kennen, wie sich Michael Bay eben vorstellt, wie man Frauen kennenlernt, um sich sodann freiwillig für die - brrrrrruuuummmm-wusch-wusch-wusch! - Battle of Britain zu melden, bei der er nicht nur den mit einem unverständlichen Akzent sprechenden Briten auf ihrer natürlich ständig verregnet-unfreundlichen Insel zeigt, was ein amerikanischer Held ist, sondern auch abgeschossen und für tot erklärt wird. Beckinsale und Hartnett, mittlerweile zur Pazifikflotte nach Pearl Harbor verlegt, trösten sich gegenseitig und verlieben sich ineinander, und als Affleck, von französischen Fischern gerettet, zurückkehrt, ist das Chaos komplett, und der Zuschauer und alle Akteure möchten aus Leibeskräften schreien: eine solche Aneinanderreihung von grellbunt-lautem Kitsch, unerträglichen Dialogen auf Lobotomisierten-Niveau, plattesten Kinderwitzen, papierdünn-konturlosen Sidekicks und schlimmster amerikanischer Prüderie (um das PG-13-Rating nicht zu gefährden, verhalten sich selbst die nicht fluchenden, nicht rauchenden und immer frisch rasierten Matrosen der Navy bei der Ankunft der neuen Krankenschwestern tugendhafter als Popeye bei seiner Olivia) ist selbst für einen Hollywoodfilm einmalig.

Zum Glück - ka-tschakka-tschakka-tschakka! -, und man glaubt fast schon, Michael Bay hätte endlich aufgehört, James Cameron und Titanic zu imitieren, und Hans Zimmer hätte endlich aufgehört, aus seinem eigenen The Lion King-Score zu klauen (vergeblich, wie sich bald herausstellen wird), hält dieser einer chinesischen Tröpfchenfolter gleichende Zustand nicht lange an, sondern entlädt sich - badabumm-karach! - aufs Heftigste im tricktechnisch teilweise faszinierenden, teilweise langweilenden Angriff der (wenigstens halbwegs differenziert dargestellten) Japaner auf die Pazifikflotte. Der Rezensent, der Pearl Harbor gewalttätige Ausbrüche unterdrückter Sexualität bescheinigte, hat alles andere als unrecht: die japanischen Flieger, gesteuert von schwitzenden, dreckigen Männern, die sich Bilder ihrer Ziele wie Pin-Ups an ihre Konsolen heften, vollziehen, gigantischen Phalli gleich, den Akt, und jede Vereinigung endet in einer gewaltigen Explosion aus Feuer, Blut und Eingeweiden, als gälte es, alles, was das Weibliche darstellt (so wie Schiffe seit jeher), möglichst feurig und brutal zu zerfetzen. Was für ein Frauen- und Menschenbild allgemein Bay mit diesen Bildern transportieren möchte, bleibt unklar, und man möchte es auch gar nicht genauer wissen. Zimmer und Schwartzman können zu diesem bösen Spiel nur gute Miene machen und weiter hemmungslos ganze Szenen aus Titanic und Gone with the Wind kopieren oder ganze Melodien aus The Lion King und The Thin Red Line Note für Note abschreiben.

Man wünscht, sie hielten es immer so, da Zimmers Musik ebenso wie Schwartzmans Kamera, wenn beide mal nicht klauen, ungewohnt schwach, hektisch, wirr und fahrig ist, so etwa, wenn es darum geht, die Helden der Lüfte Affleck und Hartnett in ihren recht glaubwürdig aussehenden CGI-Fliegern zu zeigen, wie sie gegen die Japaner zu Felde ziehen. Die schnellen Schnitte ersticken jeden Anflug von Atmosphäre, Zeit- oder Raumgefühl im Ansatz, und zurück bleiben nur unzusammenhängende, pseudo-emotionalisierende Bild- und Klangfragmente, die bei einer sorgfältigeren und weniger auf die Zerstörung fixierten Inszenierung durchaus das Zeug dazu gehabt hätten, länger in Erinnerung zu bleiben. Bay aber, und so richtig wird das erst in der lächerlichsten Filmszene seit langer Zeit klar - als Franklin Delano Roosevelt zur Steigerung der Kampfmoral aus seinem Rollstuhl aufsteht nämlich -, interessiert sich nicht für Menschen, Schicksale und Geschichte, ja nicht mal dafür, seine Explosionen wenigstens seinen Zuschauern ordentlich zu zeigen, sondern einzig und allein dafür, immer neue Ausreden zu finden, um mit einer fast manisch zu nennenden Freude Schiffe, Gebäude und Menschen auf seinen Wink hin in die Luft zu jagen. So ertrinken über eintausend Soldaten im Bauch der gekenterten USS Arizona, Hunderte verbrannter Opfer suchen Zuflucht im völlig überbelasteten Krankenhaus, und der rassistisch unterdrückte Hilfskoch Doris Mitchell, eine historische Figur, wächst über sich hinaus, um seine Kameraden zu retten, und alles, was Bay zu zeigen vermag, sind zwei abgekupferte Titanic-Szenen und schlierig-unscharfe PG-13-Bilder verbrannter Menschen.

Was aus solchen Vorlagen in den Händen fähiger Regisseure geworden wäre, mag man sich gar nicht vorstellen, zu grausam ist es schon, nach dem einstündigen Vorlauf und dem einstündigen Angriff auf Pearl Harbor noch eine weitere Stunde sitzenbleiben zu müssen, bis endlich der Abspann beginnt. In den letzten sechzig Minuten fährt Michael Bay mit Barbie, Ken und Skipper und den sonst fähigen Darstellern Jon "Jolie Senior" Voight (hier als die unumschränkte Lichtgestalt dargestellt, die Roosevelt nie war), Dan Aykroyd (hier als verfettete Kassandra) und Alec Baldwin (hier als Haudegen Jimmy Doolittle) ein solches Maß an plattem Nationalismus, abstrusen Logikfehlern, unmöglicher Kamikaze-Glorifizierung und schrecklich lächerlichen Holzschnittdialogen auf, daß man über den unerträglich waffenstarrend-riefenstahlig in Zeitlupen zelebrierten Militarismus der letzten Szenen nur noch lachen kann. Ein Blick auf die versunkene Titanic und eine peinliche Rede Beckinsales noch, und endlich, endlich hat das Leiden ein Ende. Benommen taumelt man nach Hause, und nur der inständige Schwur, es Michael Bays Auffassung von Liebe nicht nachzutun, hält einen davon ab, gegen den Projektionisten, den Popcornverkäufer und vom Kabelträger bis zum Produzenten gegen alle, die für dieses fürchterliche Machwerk verantwortlich sind, in NC-17 vorzugehen. Karach-zaboom!

1/2 von 5 Sternen.

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