Kritik:
Wenn Du nicht aus
Stuttgart kommst, dann kannst Du diese Kritik
überspringen, weil Du vielleicht nicht verstehen wirst,
worum es geht. Für
alle Hauptstädtler aber: Schlaich hat den Film aus 1989
in die Jetztzeit verlegt (zu bemerken an den Ansagen in der
U-Bahn, den Straßenplakaten, den Automarken...) und
aus dem Sommer einen typischen Stuttgarter Spätherbst
gemacht (kalt, naß, ungemütlich...). Ich
überlegte, was geschehen wäre, wenn die Tat heute
geschehen wäre und nicht der mutige und unerreichte
Manfred Rommel, sondern der Mann ohne Eigenschaften
- Wolfgang Schuster - die Trauerrede für die beiden
Polizisten gehalten hätte... lieber nicht; die
Rodney-King-Aufstände waren schon schlimm genug! Aber
wahrscheinlich wäre Otomo sowieso schon vor der
Brücke von einer der zahllosen Polizeistreifen gefangen
worden, die heuer die Straßen unseres einst so
schönen Stuttgart so farbenfroh füllen.
Auch sonst
bekommt man nach diesem Film keinen großartigen
Eindruck von "Deutschlands größtem Dorf": kalte,
nasse Industriebauten, fühllose Menschen (der
sadistische Fahrkartenkontrolleur ist ein leuchtendes, weil
nur zu wahres Beispiel), häßliche Gaskessel
(Schlaich hat auf dem Wasen und rund um Cannstatt gedreht
- mit so illustren Drehorten wie der
Müllverbrennungsanlage oder dem Krematorium-Bunker-Ding
am Großmarkt), zynische Arbeitsamt-Beamte und verbitterte, dennoch aber menschliche Cops. Mit der suggestiven Musik
von Freundeskreis (im Gegensatz zum Rathaus haben manche
Leute bemerkt, daß es auch international bekannte
Musiker aus Stuttgart gibt), den tristen Bildern der Kamera
und den großartigen schauspielerischen Leistungen,
besonders von Isaach de Bankolé, ergibt sich ein
rundes Bild, das nur durch die Szenen der völligen
Fiktion mit dem Frankenstein-Zitat und Eva Mattes,
die ziemlich gekünstelt wirken, etwas beschädigt
wird; seine stärksten Momente hat Otomo in den
Augenblicken größter Authentizität, die
alles in allem kein rosiges Licht auf Stuttgart werfen. Aber
wir wissen doch alle, daß wir in einer wunderbaren
Stadt leben... oder?
von
5 Sternen.
|