Kritik:
Dunkelheit. "Also
sprach Zarathustra", wir kennen es alle. Vertraute
Planetariums- und Warsteinermusik, immer gern benutzt, um
große Dinge anzukündigen. Umrisse
erscheinen im Gegenlicht. Die vertrauten Züge Tom
Cruises. Zur Musik breitet er die Arme aus wie ein
mythischer Titan.
Später, es regnet, alle Charaktere sind an
verschiedenen Orten, fängt Aimee Mann zu singen an.
Überblendungen zu allen Hauptfiguren nacheinander,
und alle singen mit.
Szenen wie
diese geben Magnolia immer dann noch eine besondere
Note mehr, wenn man glaubt, daß der Film nicht mehr
schöner werden kann. Denn so gekonnt, dynamisch und
fließend und dabei doch nie hektisch ist die Regie des
hochbegabten Jungtalentes Paul Thomas Anderson, daß
die drei Stunden nie lang werden und mit immer neuen
filmischen Überraschungen aufwarten. Seien es lange
Kameraverfolgungen, minutenlange, ineinandergreifende
Dialogszenen oder genau beobachtende Großaufnahmen,
Anderson kriegt sie mit Leichtigkeit und Eleganz hin. Dabei
helfen ihm nicht nur die luxuriöse Brillanz der Farben,
die hervorragende, wenn nötig ruhige, wenn nötig
fließend schwenkende Kamera und die realistischen
Sets, sondern vor allem Aimee Manns immer passende, mal
treibende und mal melancholische, aber immer
wunderschöne Musik, die das Tempo des Films wesentlich
mitsteuert.
Mit
exzellenten, aber etwas schimpfwortlastigen Dialogen geben
auch die Darsteller allen Grund zur Freude. Wahrscheinlich
bewußt hat Anderson außer Cruise fast nur
preiswerte Schauspieler der zweiten Garde eingekauft, die
dafür um so besser spielen können. William H. Macy
als schwules und verschuldetes Ex-Wunderkind, das bekannte
Gesicht ohne Namen John C. Reilly als feinfühliger
Single-Cop oder Philip Seymour Hoffman als gewissenhafter
Krankenpfleger zeigen mit ihren jeweiligen, ebenfalls guten
Mitspielern großartige, stimmige und rührende
Darstellungen. Julianne Moore kriegt ein bißchen zu
reichliche Gelegenheiten für große
Gefühlsszenen, die gegen Ende aufgrund der Länge
des Films in Verbindung mit der länglichen Sterbeszene
ihres Ehemannes den Bogen doch etwas überspannen. Denn
auch ein fühlloser Klotz wie ich kann nur eine
bestimmte Menge an Heul- und Wutszenen ertragen, ehe sie zu
stören beginnen. Zudem werden diese Szenen von Julianne
Moore auch noch so gut gespielt, daß man sich ihnen
nur schwer entziehen kann.
Wie schon in Eyes Wide Shut ist die große
Überraschung aber mal wieder Tom Cruise, der wieder
beweist, daß er doch schauspielern kann. Als roher
Macho und Liebesguru wirkt er zwar manchmal etwas
überdreht, und seine finale Heulszene wirkt auch etwas
unecht, aber insgesamt hinterläßt er doch einen
sehr fähigen und bewegenden Eindruck.
So also
schwebt der Film leichtfüßig durch den Tag dieser
unterschiedlichen Menschen und zeigt mit wenig echter
"Handlung", aber umso mehr Interaktion ihre großen und
kleinen Schicksale elegisch auf, ohne sich je in
Belanglosigkeiten zu verzetteln. Nehmen und Geben von Liebe,
klärende Aussprachen und die Begegnung mit dem Tod, das
sind die großen Themen von Magnolia. Und wie
poetisch, wie schön, ruhig und anrührend das Ganze
umgesetzt wird, und was das alles mit einem Platzregen von
glitschigen Fröschen zu tun hat, das schaut man sich am
Besten selbst an. Noch heute.
von
5 Sternen.
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