Moviebazaar Moviebazaar

Jude

-- Hahaha, was für ein deutscher Titel ist das denn? --

Szene aus Jude

Info über Jude (GB 1996)

Regie: Michael Winterbottom

Darsteller: Christopher Eccleston, Kate Winslet, Liam Cunnigham, Rachel Griffiths, June Whitfield, James Nesbitt

Inhalt: Im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts verliebt sich der Steinmetz Jude in seine Kusine, die aber einen anderen heiratet.

Kritik: Mancher Leser wird sich wundern, auf welchen verschlungenen Wegen ich dazu gekommen bin, mir ausgerechnet auf einem Frauensender einen solchen Frauenfilm wie Jude anzusehen, noch dazu mit so einem (allerdings aus mißverständnisvermeidend-verständlichen Gründen: einen Film in Deutschland Jude zu nennen, kann zu Verwirrung führen...) seifigen deutschen Titel wie "Herzen in Aufruhr". Passionierte Internetsurfer ohne Cybernanny aber werden wissend schmunzeln.

Jude nämlich präsentiert sich recht freizügig. Das ist nur solange irritierend, bis man bemerkt, daß man es nicht mit einem Machwerk aus dem prüden Amerika zu tun hat, sondern mit einem kleinen Kunstwerk aus Großbritannien, wo man noch gute Filme zu machen versteht. Full frontal nudity, blutige Gebärszenen und blanke Brüste kommen in diesem Film mit einer unverkrampften Natürlichkeit daher, die man in Hollywoods Ausgeburten schon lange vermisst. Neben dem unbestrittenen voyeuristischen Aspekt wird so auch dem Realismus Genüge getan - endlich mal zieht eine Frau nach dem Sex nicht die Bettdecke bis zum Kinn hoch!

Auch sonst ist Jude prima gelungen: die gut getimte Kamera fängt gekonnt die schön ausgestatteten Schauplätze mit ihrem authentischen 19. Jahrhundert-Flair ein und erzeugt mit der liebevoll komponierten Musik ein klares Bild des rauhen englischen Landes, wo die Farben sich entweder scharf von den grünen Wiesen abheben oder im Dauerregen verschwimmen. Mittendrin: Christopher Eccleston als Steinmetz mit Griechisch- und Lateinkenntnissen, der zuerst wider Willen ein Mädchen vom Lande heiratet und sie dann verläßt, um in die Universitätsstadt zu ziehen. Dort begegnet er - und Christopher Eccleston ist ein durchweg glaubhaft ehrgeiziger und zielstrebiger Jude - seiner Kusine Sue, verliebt sich in sie und verschafft ihr eine Stelle bei seinem alten Lehrer. Sue heiratet den Lehrer, aber Jude steigt ihr immer wieder nach, bis er sie für sich gewonnen hat, während er zwischendurch noch ein paarmal seiner Ex-Frau begegnet. Das ist an sich kein besonders weltbewegend-origineller Plot, aber mit der genauen Ausstattung, den spielfreudigen Schauspielern und den wiederkehrenden Motiven wie Judes Rückzug zu seiner Tante wird Jude doch genießbar. Dazu trägt vor allem Kate Winslet bei, die hier noch vor ihrem Titanic-Erfolg beweist, daß sie zu einer der besten jungen Schauspielerinnen Englands gehört: mit unglaublicher Energie, unbändigem Charme und umwerfendem Talent bringt sie Sue Bridehead zum Leben, ein ihrer Zeit vorauseilendes, willensstarkes und intelligentes Mädchen mit einem Hang zu Zigaretten und Rebellion. So werden auch die Szenen nach Judes und Sues endlicher Zusammenkunft zu einem hochemotionalen Drama: weil das junge Paar Kinder hat, aber nicht verheiratet ist, werden sie gesellschaftlich geächtet, was schließlich zur Katastrophe führt. Diese ist zwar leicht unglaubwürdig, bringt aber den Film zu einem traurigen Ende. Auch das überrascht in Zeiten seichtester Happy-End-Dramolette, und so bleibt am Ende der Eindruck eines verblüffend authentischen, engagiert gespielten und bewegenden Liebesdramas. Frauen werden es lieben.

****von 5 Sternen.

Nach oben