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Hannibal

-- Die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren --

Szene aus Hannibal

Info über Hannibal (USA 2001)

Regie: Ridley Scott

Darsteller: Anthony Hopkins, Julianne Moore, Gary Oldman, Ray Liotta, Giancarlo Giannini, Francesca Neri

Inhalt: Ein verrückter Milliardär trachtet dem weiter flüchtigen Mörder Hannibal Lecter nach dem Leben.

Kritik: "Florenz, im vollen Mondlicht leuchtend, so nahe vor sich, daß er meinte, die Signoria und den Duomo mit Händen greifen zu können, war ein überwältigender Anblick. Kein Wunder, daß die jungen Männer dieser Stadt romantische Balladen widmeten und selbst ihre Mädchen dabei zu kurz kamen. Jeder echte Florentiner führte das Wort im Munde: 'Ohne den Anblick des Duomo will ich nicht leben'" (Irving Stone, "Michelangelo").

Besser als mit einem Zitat kann man eine Kritik zu Hannibal nicht eröffnen, diesem Film, der so gerne klug zitiert und weltoffen-hochtrabend tut, im Herzen aber doch nur ein billiger Bastei-Lübbe-Thriller aus der Grabbelkiste des Supermarkts ist.
Bevor der Zuschauer das erkennen kann, wird er jedoch von der atemberaubenden Schönheit der toskanischen Metropole Florenz geblendet, die als Schauplatz für den ersten Teil des Abenteuers dient: golden schlängelt sich der Arno unter dem Ponte Vecchio, und im warmen Licht der untergehenden Sonne, von John Mathieson luxuriös-professionell gefilmt, schweift der Blick des Betrachters von der Kuppel des Doms zum charakteristischen Turm der Signoria, in der Hannibal Lecter, vor zehn Jahren aus lebenslanger Haft entflohen, um eine Stelle als Kurator nachsucht. Mit akzentfreien Zitaten aus Dantes Göttlicher Komödie betört er die anwesenden Honoratioren, bevor er den Polizeiinspektor Rinaldo Pazzi auf eben jene Weise tötet, auf die einst sein Vorfahr getötet wurde, einer jener Pazzi, die Il Magnifico, Lorenzo de Medici, und seinen Bruder töten wollten. Im Duomo lauerten die Mörder Giuliano und Lorenzo auf, willens, ihre Messer in das verletzliche Fleisch des größten Mäzens der damaligen Zeit zu treiben - Giuliano starb, Lorenzo überlebte schwer verletzt, die Mörder wurden gefaßt und Francesco Pazzi mit entblößten Eingeweiden aufgehängt, Nachahmern zur eindrücklichen Warnung. Dabei hatte für Pazzi (den Jüngeren), als er und seine elegante Frau Dr. Lecter in der Oper (Dante Alighieri, natürlich, besingt seine Jugendliebe Beatrice - eine wunderschöne Szene) getroffen hatten, alles noch rosig ausgesehen, und Lecter hatte ihnen sogar eins von Dantes Gedichten geschenkt.

Ganz große Kultur will Hannibal in diesen anspielungsreichen Szenen sein, die auch durchaus schön anzusehen und anzuhören sind (Opernszenen haben in Filmen immer einen ganz besonderen Reiz, und einen Dante rezitierenden Anthony Hopkins erlebt man auch nicht alle Tage); aber leider kann der Rest des Filmes trotz der durchgehend wunderschönen Kamera (der Nebel auf den unberührten Weiden Virginias!) und Musik (von Hans Zimmer) bei weitem nicht mit dem gehobenen florentinischen Ambiente mithalten.
Es fängt schon mit dem völlig überflüssigen, durch eine aufwendige Maske fürchterlich entstellten Gary Oldman an, der als verrückt-sadistisch-ungebildeter Milliardär Sympathien für den hier zum gebildet-hochgeistigen Übermenschen stilisierten Dr. Lecter erzeugen soll und sich auf klischeehaft tumbe, illoyale Helfer und eine lächerliche, James-Bond-artig nicht funktionierende Tötungsart verlässt; es geht weiter mit dem ebenfalls unnötigen Ray Liotta als sexistischem Vorgesetzten, der der aufrechten Agentin Clarice Starling das Leben schwermacht und am Ende natürlich seine - immerhin tricktechnisch nett und mit Sinn für schwarzen Humor umgesetzte - Strafe erhält. Und Starling selbst wird von der talentierten Julianne Moore zwar durchaus ansprechend gegeben, jedoch springt der Funke in ihren wenigen Szenen mit dem manchmal behäbig-rundlichen, manchmal immer noch gefährlich präsenten Hopkins nicht so recht über; zudem pocht ständig der natürlich unfaire Vergleich mit ihrer Rollenvorgängerin im Hinterkopf - Moores Art zu spielen ist eine ganz andere als Jodie Fosters, und wäre Moore die erste und Foster die zweite Starling gewesen, würde die Kritik Fosters Leistung an Moores messen statt umgekehrt.

Aber mit dem vorliegenden Drehbuch läßt sich in schauspielerischer Hinsicht im Vergleich mit dem Vorgänger tatsächlich wenig anfangen: neben den gelegentlichen Gore-Szenen, die die übertriebene Medienhysterie im Vorfeld keinesfalls rechtfertigen, wimmelt Hannibal nur so von Klischees und hanebüchen-vorhersehbaren Situationen, wobei die gröbsten Peinlichkeiten des Buches wohlweislich ausgelassen wurden: Starlings Vorgesetzte sind wahlweise lüstern oder borniert und suspendieren sie vom Dienst, der Milliardär ist spinnerter als Goldfinger und Blofeld zusammen, der italienische Kommissar ist ein korrupter Kettenraucher, und Dr. Lecter kann, obwohl er auf der Most-Wanted-Liste des FBI steht, unbehelligt in Florenz umherspazieren und in die USA einreisen, wann und wie immer er will. Auch Starlings Faszination für den grausamen Psychiater wirkt hier nur mehr wie platte Schulmädchenverliebtheit, und das Ende ist bis auf das an eine von Münchhausens Geschichten gemahnende Festmahl so schlabbrig weich wie eine benutzte Windel. Von der Divina Comedia zur vollen Pampers in nur zwei Stunden - ein echtes Ridley Scott-Spätwerk.

**1/2 von 5 Sternen.

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