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Gladiator

-- Panem et circenses --

Szene aus Gladiator

Info über Gladiator (USA 2000)

Regie: Ridley Scott

Darsteller: Russell Crowe, Joaquin Phoenix, Connie Nielsen, Oliver Reed, Richard Harris, Djimon Hounsou

Inhalt: Durch eine Intrige verliert der römische Feldherr Maximus Frau, Kind und fast das Leben. Als Gladiator kommt er nach Rom, um Rache zu nehmen.

Kritik: Ach ja, es gibt keine Filmkultur mehr. Endlich fand ich die Zeit, mir am frühen Nachmittag Gladiator im nahegelegenen Multiplex anzusehen. Wenig Publikum, guter Sound, nette Trailer, und vom Film wird noch zu sprechen sein. Dann der Abspann, alle verlassen den Saal, nur ich bleibe sitzen. Als - mancher Leser (Leser?) wird es bereits bemerkt haben - passionierter und häufiger Kinogänger versuche ich immer, den ganzen Abspann anzusehen. Einerseits aus Protest, um einen Kontrapunkt zum Fernsehen zu bilden, das längst alles, was nach Credits aussieht, gnadenlos wegschneidet, andererseits, um langsam aus der Stimmung des Films wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren und dabei das Gesehene und Geschehene noch einmal Revue passieren zu lassen und innerlich zu verarbeiten. Zudem gibt der Abspann Auskunft über die Zuordnung von Schauspielern zu Rollen, die Techniker, die F/X-Firma, die Drehorte, die Musikstücke und vieles mehr und belohnt manchmal sogar durch Gimmicks oder Sprüche ganz am Ende. Schön.

Weniger schön sind die beim Einsetzen des Abspanns lemminggleich flüchtenden, schnellebigen anderen Zuschauer, die zuerst den Blick auf die Leinwand versperren und mich dann wie am Pranger allein im riesigen Saal sitzen lassen - wenn mich nicht schon längst ungeduldig am Ärmel zerrende sogenannte Freunde herausgeschleift haben. Wenn ich es dann doch mal wie bei Gladiator schaffe, sitzenzubleiben, kommt garantiert eine schnatternde Putzkolonne hereingeschneit, oder übereifrige Concierges kommen und gehen in Intervallen von fünf Sekunden, stumm "Hau schon ab, Doofkopp!" signalisierend. So auch diesmal: eine dienstbeflissene Angestellte schaut herein, prüft, ob das Kino leer ist, bemerkt, daß ich noch sitze, verläßt den Saal, kommt wieder, guckt nochmal, nur grimmiger, geht wieder, kommt erzürnt nochmal, guckt noch grimmiger und immer so weiter... Am Ende verpufft das Dreamworks-Logo, der Vorhang schließt sich, und mit einem Lächeln schreite ich stolz am Schweppes-Gesicht der um acht Minuten ihres Feierabends gebrachten Kinohosteß vorbei. Das Leben ist doch schön.

Aber zwischendurch habe ich auch noch einen Film gesehen - Ridley Scotts Gladiator, die angebliche Wiedergeburt des Sandalenfilms mit modernen Mitteln. Mittendrin ein überraschend bewegender, agiler, muskulöser und nuancierter Russell Crowe als betrogener Tribun, der schön gefilmt von den heimischen Getreidefeldern und vom Jenseits träumt. In Germanien besiegt er die klischeehaften, bärtigen Barbaren, es kracht und spritzt gewaltig, Armeen prallen aufeinander, Wälder brennen und Speere fliegen. Die Kämpfe und später die Arenaszenen leiden dabei ziemlich an einer durch die äußerst seltsame Drehtechnik ausgelösten Konfusion - wie im Zeitraffer, oder als ob jedes zweite Bild fehlen würde, ruckeln die Bilder zuckelig dahin. Dazu werden dringend zum Verständnis benötigte Übergänge weggelassen, so daß bald selbst der MTV-gestählteste Clipjunkie nicht mehr weiß, wessen Schwert nun wessen Leib durchbohrt. Die fehlende oder wirre Choreographie tut ein Übriges, und am Ende hat man nicht begriffen, wie Maximus der drohenden Exekution entkommen konnte. Daß solche Anfängerfehler gerade Ridley Scott, dem Alien- und Blade Runner-Altmeister passieren müssen, gibt doch zu denken. Dabei werden immerhin die Schlächtereien im ganzen folgenden Film zwar brutal, aber dennoch dezent und nicht voyeuristisch, vom Ekel fasziniert oder unnötig splatterig gezeigt und heben sich so wohltuend von Metzeleien ab, die nur des Blutes willen überhaupt gedreht wurden.

Maximus also entflieht der Exekution, findet seine Familie ermordet vor, wird zum Sklaven und dann zum Gladiator. Er trifft auf den deutschen Muskelprotz Ralph Möller, der, weil 100 Prozent übereinstimmend, die Idealbesetzung für den tumben nordischen Haudrauf mit dem bezeichnenden Namen "Hagen" darstellt. Er freundet sich mit dem aus Amistad bekannten Djimon Hounsou an, der - wir sind in Hollywood - wieder als muskulöser schwarzer Sklave besetzt wird, weil er zufällig so aussieht, wie sich die Produzenten einen schwarzen Sklaven vorstellen. In nett gefilmten, recht atmosphärisch vom Jubel des Pöbels und vielen Ausstattungsdetails umrahmten und passabel, aber nicht umwerfend von Hans Zimmer vertonten Action- und Massenszenen schlägt er sich in wirren Bildern - siehe oben - in der Arena und wird alsbald nach Rom, das caput mundi berufen.

Dieses Rom aus dem Computer ist eine Art Mischung aus Albert Speers monströs monumentaler geplanter Welthauptstadt Germania, Batmans verwinkeltem Gotham und dem Coruscant des Imperators. Eingeführt wird es mit einer blaugefärbten 1:1-Riefenstahl-Kopie, die etwas unsubtil wohl die faschistische Grundhaltung des von Joaquin Phoenix ordentlich, aber nicht ganz historisch korrekt und nicht besonders glaubwürdig verrückt verkörperten Imperators Commodus symbolisieren soll. Die Effekte sind dabei manchmal ganz gelungen - sogar der während den Dreharbeiten verstorbene Alkoholiker Oliver Reed wird in manchen Szenen unmerklich durch eine Computercollage ersetzt -, wirken aber manchmal seltsam unausgegoren greenscreenig.

Maximus nun ist in Rom, gewinnt ein paar Kämpfe und konspiriert mit der von Connie Nielsen - gesehen in The Devil's Advocate - eher farblos gespielten Schwester des Imperators. Die Dialoge und intimen Szenen schwächeln generell ein wenig ob der häufigen "Wir liebten uns einst blablabla"- oder "Mein Vater liebte mich nicht blablabla"- oder "Wir kämpfen für Rom blablabla"-Klischees, die von allzu oft als dramatisches Mittel eingesetzten bebenden Kiefern und Lippen flankiert werden, so daß man sich fast an Neve Campbell erinnert fühlt. Die Story geht dennoch routiniert getimt 150 Minuten lang vorwärts - können die Regisseure keine kurzen Filme mehr drehen? - und wird nur am Ende etwas langatmig, als mit dem erwarteten Tod einiger Hauptfiguren der Spannungszenit erreicht wird und der Film dennoch weitergeht. An "Ehre und Stärke"-Klingonenpathos fehlt es auch nicht, jedoch bewahrt Ridley Scott im Gegensatz zu "Regisseuren" wie Emmerich das rechte Maß, so daß die heldenhaften Sprüche nicht allzusehr stören.

Am Ende, wenn nur noch der Staub in der Arena steht, fragt man sich also, wieso Scott die Actionszenen durch sein Cut-Gehacke zerstört, wieso die Dialoge trotz einiger Skriptdoktoren wie aus der Schablone wirken, wieso die opulenten Dekors, die passabel spannende Story und die überdurchschnittlichen Schauspieler nicht mehr reißen, oder wieso die Blut- und Sensationsgier des römischen Volkes nicht mehr betont wird, die sich von der unsrigen in nichts unterscheidet. Warum, wenn nicht wegen der Kämpfe, sollten die Leute sonst in Filme wie Gladiator rennen? Aber die macht - siehe oben - der gute Ridley ja kaputt. Da hilft selbst der längste Abspann nichts.

***von 5 Sternen.

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