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Girl, Interrupted

-- One Flew Over the Cuckoo's Nest für Arme --

Szene aus Girl, Interrupted

Info über Girl, Interrupted (USA 1999)

Regie: James Mangold

Darsteller: Winona Ryder, Angelina Jolie, Clea DuVall, Brittany Murphy, Jared Leto, Whoopi Goldberg

Inhalt: Der Sechziger-Jahre-Irrenhausaufenthalt der jungen Susanna Kaysen. Nach wahren Erlebnissen.

Kritik: Auch an heißen Tagen kann es durchaus angenehm sein, ins Kino zu gehen. Neben schön leeren Rängen gefallen vor allem die Klimaanlage und die vielen hübschen Menschen auf der Leinwand, die einen die eigenen käsig bleichen Beine und die brandroten Rücken der anderen in der Fußgängerzone für eine Zeitlang vergessen lassen. Wenn dann noch eine kalte Cola bereitsteht und der Film gut ist, ist der Tag wieder einmal schön gewesen.

Aber leider ist Girl, Interrupted nicht gut. Allein der völlig mißlungene, eine Art Komödie andeutende deutsche Titel hätte mich fast vom Besuch abgeschreckt. Die ungenaue Synchronisation hält, was der Titel verspricht: die Stimmen sind zwar passend und engagiert, geben aber laufend unzusammenhängende, schlecht übersetzte und nervige Floskeln von sich. Wenn wieder einmal ausgerechnet ich, Student eines nichtsprachlichen Faches, schlauer bin als die Synchronautoren, muß ich mich doch fragen, wie in dieser Branche eigentlich gearbeitet wird.

Als weitere Ärgernisse wirken die völlig einfallslose, sich auf ewige, scheinbar emotionale Großaufnahmen von Gesichtern verlassende Kamera, die eintönige Sixties-Musik und das lieblose Setdesign. Dazu kommen die nur durchschnittlichen Leistungen der Darsteller, darunter Vanessa Redgrave als "Dr. Fick", Jared Leto als bärtiges und wasseräugiges Angel Face, Whoopi Goldberg als augenbrauerloser Gutmensch und meine Lieblings-Audrey Winona Ryder mit einer leider komplett enttäuschenden Performance. Zwar ist Winona wie immer mit gewohnt kurzen Haaren und braunen Rehaugen sehr schön anzusehen, wirkt aber in der Rolle der uncharismatischen Susanna fast überfordert und so brav, daß man nahezu einschläft. Ihre weit aufgerissenen Augen und ihr offener Mund mit den regelmäßigen Zähnchen sind sicher schön, als einziges dramatisches Ausdrucksmittel jedoch etwas schwach.

Aber zum Glück gibt es ja das Engelchen Angelina Jolie, unverkennbar Jon Voights Tochter, wahrscheinlich auf ähnlichen Wegen wie Gwyneth Paltrow ins Biz gelangt - über Hyper-Connections und gute "Freunde". Trotzdem beweist sie in der dankbaren Rolle der soziopathischen Lisa dicklippig, breitmundig, schnurrend und knurrend erstaunliche Energie und außergewöhnliches Talent, und der Oscar geht einmal in Ordnung. Die Lisa-Susanna-Szenen wie etwa das schöne "Downtown"-Ständchen sind dann auch die mitreißendsten und besten im ganzen Film, der ansonsten nur die altbekannten Klapsenklischees bis zum saccharinsüßen Ende variiert: mißbrauchte und entstellte, fette und magersüchtige, aber für eine Irrenanstalt insgesamt etwas zu hübsche und gepflegte Mädels bilden die Kandidaten für Medikamentenausgaben, Einzelhaft und Elektroschocks. Zwischendurch gibt es Abziehbild-Hippies und salbadernde Platitüden über Leben, Freundschaft und die Verkrustung des Psychobetriebs, von Susanna per Voice-Over scheinbar tiefsinnig sinnend serviert. Anscheinend soll die unmenschliche, pseudowissenschaftliche Psychoanalyse kritisiert werden, die per überaus schwammiger Borderline-Diagnose über 90 Prozent aller Leute zu Irren erklären könnte; aber dafür bleibt der Film viel zu sehr in ausgetretenen Pfaden oder schweift in sterbenslangweilige Diskussionen über Spiritualität und Selbstfindung ab, die den ohnehin viel zu langen Film noch verlängern - moderne Hollywoodregisseure kommen mit weniger als zwei Stunden offenbar gar nicht mehr aus, haben dabei aber immer weniger zu sagen.

Wer, um zum Ende zu kommen, also schon einen guten Klapsenfilm wie One Flew Over the Cuckoo's Nest kennt, kann sich Girl, Interrupted ruhig sparen - auch wenn Jack Nicholson nicht so hübsch wie Winona ist.

**von 5 Sternen.

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