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Full Metal Jacket

-- Kubrick ist immer noch Gott --

Szene aus Full Metal Jacket

Info über Full Metal Jacket (GB 1987)

Regie: Stanley Kubrick

Darsteller: Matthew Modine, Adam Baldwin, Vincent D'Onofrio, R. Lee Ermey, Arliss Howard, Dorian Harewood

Inhalt: Die Ausbildung und der Einsatz junger Marines in Vietnam.


Kritik: Allen Turnbeutelvergessern und Q-Tip-Stemmern habe ich, es macht immer wieder Spaß, das zu betonen, meine Militärerfahrungen voraus. Zwar nur Bundeswehrerfahrungen, aber besser als nichts ist das allemal. Anyway, als ich frisch eingezogen worden war, noch jung, grün hinter den Ohren und beeinflußbar, liefen meine Leidensgenossen und ich im Bestreben, Getränke zu kaufen, durch die Kaserne, als es aus einem der Wohngebäude hämisch und vernehmlich "Hahahaa! Aus, ihr Füchse!" schallte. Sofort fühlte ich mich an Full Metal Jacket erinnert und befürchtete für die Zukunft das Schlimmste, so dicht war dieses Erlebnis am emotionalen Grundton des Films dran. Aber es kam zum Glück anders, da die Bundeswehr - alle noch Einzuziehenden seien beruhigt - bekanntlich weder eine Armee noch überhaupt eine Organisation irgendeiner Art ist.

Dafür hat Stanley Kubrick wie in seinen anderen Filmen auch eine rigide Organisation gehabt: Ronald Lee Ermey, der eigentlich nur als Berater für die Rolle des Drill Sergeant vorgesehen war, wurde, weil er so gut war - er war früher wirklich Ausbilder -, kurzerhand eingewechselt, was Ermey zu einer immer noch andauernden Filmkarriere verhalf, die sich langsam von den Klischee-Schleifer-Rollen entfernt. Weiterhin ließ der Meister ein ganzes Viertel in der Nähe von London als Vietnam-Ersatz herrichten, nachdem er sich zuvor informiert hatte, daß das Wetter in Vietnam 1968 dergestalt war, wie es in England zu sein pflegt: bewölkt und regnerisch. Den ganzen Aufwand betrieb Kubrick wie immer nur, um nicht ins Ausland reisen zu müssen: nach einem kurzen Abstecher nach Hollywood einige Jahrzehnte zuvor war ihm das Reisen so gründlich vergällt, daß er bis zu seinem Tod in der Nähe von London blieb.

Das tut dem Realismus des Films aber keinen Abbruch. Angefangen vom kollektiven Haare-Abrasieren über die akkuraten Uniformen bis zu den geometrisch gefältelten Bettdecken hätte jeder Ausbilder seine Freude an Full Metal Jacket. In intensiven, sorgfältigst zusammengestellten Szenen wird gezeigt, wie das Militär aus Menschen seelenlose, zum Töten bereite Kampfmaschinen macht. Neben den Soldaten-Schauspielern, die hervorragend ihre unterwürfigen bis psychotischen Charaktere geben, ist natürlich Ronald Lee Ermey als brutaler Gunnery Sergeant mit messerscharf gebügelter Uniform hervorzuheben, der mit hemmungslosen, den Wortschatz erweiternden Beschimpfungen aus Maden Männer macht. Wunderbar zeigt Kubrick in kühlen Bildern den ganzen Männlichkeits- und Waffenwahnsinn des Militärs, der in den zotigen Marschgesängen, den verdrehten "Geschichtsstunden" und den pedantischen Kontrollen immer neue Höhepunkte findet, bis es zur durch den menschenverachtenden Drill ausgelösten Tragödie kommt, von Vincent D'Onofrio beklemmend verrückt gespielt.

Aber der Krieg muß weitergehen, und so verfrachtet Kubrick den Zuschauer mit einem schnellen Schnitt von Parris Island nach Vietnam, mitten in den zweiten Teil des Films. Dort schleichen die Soldaten durch verfallene Häuserschluchten und geraten schließlich in einen Hinterhalt, von Kubrick schockierend realistisch und aufwühlend, aber fast etwas behäbig inszeniert. Dennoch bewegt das langsame Sterben eines der Soldaten immer noch mehr als fünfhundert Tote auf einmal in Saving Private Ryan. Und als endlich der Schütze entlarvt wird, wird der ganze Irrsinn Vietnam noch einmal erschreckend deutlich: nur drei Frauen sind im ganzen Film zu sehen, zwei davon Prostituierte, und eine ist ausgerechnet die Todesschützin. Daß so ein einfaches Mißverhältnis weit länger im Gedächtnis haften bleibt als noch so splatterig ausgeweidete Infanteristen, spricht für die Größe dieses Films.

*****von 5 Sternen.

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