Kritik:
Der Berg
kreißte und gebar, siehe, ein Mäuschen. Mit dem
bizarren Gefühl, eine Hausfrau zu gewärtigen, die
zum Zwiebelschneiden statt eines Messers einen turmhohen
medizinischen Laser benutzt, sitzt der Zuschauer in der
anmutig-astralen Gestalt (künstlerische Freiheit!) des
Rezensenten im örtlichen Kino, sieht Jennifer
Connellys, Ben Afflecks und Laurence Fishburnes digitalen
Abbildern zu und wundert sich, ob auch künstliches
Leben, wie alles, als feuchte Kaulquappe beginnen muß,
um sich dann vom Lurch zum Menschen oder wenigstens zu einem
klugen Collie zu wandeln: eine solche Abfolge von
Robotergesten, Tussaud-wächsernen Mienen, unmodulierten
Dialogen und brettsteifen Körperhaltungen würde
selbst die am tiefsten in den Wirren der Pubertät
steckende, hormonbrausend-unglaubwürdigste
Schultheatertruppe des ganzen Planeten vor Schreck
erbleichen lassen.
Wie sehr
erst der gewöhnliche Zuschauer unter den
Tipp-Kick-Bewegungen leidet, läßt sich fast
exemplarisch an der Szene festmachen, in der die Soldaten
Captain Edwards' ohne sein Wissen eine Art Aufzug
blockieren, um ihm Gelegenheit zu geben, mit Dr. Ross zu
flirten (ein Einfall, der an Grandiosität nur noch von
dem Tom Cruises übertroffen wird, Thandie Newton und
ihr Auto zuerst von der Klippe zu schubsen, um sie dann "im
letzten Moment" heldenhaft zu retten): "Aki...", spricht das
Schumacher-Kinn, während die Augen tot glotzen und die
muskulösen Arme den zierlichen Doktor so umfassen, als
wollten sie ein Werkstück in sieben Schritten
zurechthämmern. "Grey" antwortet Jennifer Connelly, in
deren digital wehendes Haar offensichtlich weit mehr
Sorgfalt als in das Drehbuch gelegt wurde, das sterile
Gesicht, das eben noch albern wie ein Karpfen nach Luft zu
schnappen schien, changiert zwischen debilem Lächeln
und leerer (Ich-liege-im-)Grabesmiene, und schon rucken die
Oberkörper aufeinander zu wie fehlprogrammierte
Industrieroboter auf tödlichem
Kollisionskurs.
Zum
Glück hat diese Qual bald ein Ende, und Dr. Aki Ross
und Captain Grey Edwards können schnell wieder den
recht soliden, aber nicht klischeefreien Plot vorantreiben,
in dem ein herrischer General vor einigen Jahrzehnten mit
einem Meteoriten auf der Erde gelandete, lautlos und
unsichtbar tötende außerirdische Phantome mit
einer gewaltigen Orbitalkanone namens Zeus für immer
wegpusten möchte. Dr. Ross und ihr väterlicher
Mentor Dr. Sid schlagen einen Alternativplan vor, der darauf
fußt, sich die Gaia genannte mystische Lebensenergie
der Erde und ihrer Bewohner zunutze zu machen. Zwischendurch
läßt sich die von Ming-Na nicht allzu berauschend
gesprochene Aki Ross von ihrer alten Liebe Captain Edwards
(Alec Baldwin) und seinem Team (Quotenfrau, token black
character und Steve Buscemi als comic relief)
wiederholt retten, badet die Bosheiten General Heins aus,
ohne ihn je direkt zu konfrontieren, bespricht sich mit Dr.
Sid in einem zumindest filminhärent plausiblen
Techno- und New-Age-Babble, das weniger aufmerksame oder minderbemittelte
Zuschauer (also Michael-Bay-Fans) jedoch durchaus
überfordern könnte, und findet sogar noch etwas
Zeit für intensive Traumanalysen und markig-eindimensionale Wir-müssen-die-Welt-retten-Dialoge.
Episch-bombastisch spielt die Musik zu teils originellen,
teils abgekupferten oder vorhersehbar-ärgerlichen
Actionszenen, derweil die Detailverliebtheit, Farbenpracht
und Opulenz der innovativen Computerkulissen stets so sehr zu
beeindrucken wissen wie die gefährlich transparenten
Außerirdischen.
Ein
passabel-annehmbarer Sci-Fi-Actionfilm also, wäre da nicht das
vage befremdende Gefühl, daß Hironobu Sakaguchi
ein schimmerndes Gebäude aus Glas und Stahl erschaffen
hat, dessen tragender Pfeiler aus luftiger Zuckerwatte
besteht, ganz so, als hätte James Cameron nach dem
Nachbau der Titanic nicht Kate Winslet und L. Wilhelm DiCaprio,
sondern Ben Affleck und Kate Beckinsale gecastet,
einem Erstklässler gleich, der in sein utopisch
zusammengestecktes Spielzeugraumschiff doch nur die alten, dauerlächelnden
Lego-Männchen stellen kann. Lang und teuer sind die
Pfade der Erkenntnis, daß der größte
Aufwand, die brillanteste Kulisse nichts nützt, wenn
der Mensch in ihr nicht glänzt. Auch der aus Nullen und
Einsen.
von
5 Sternen.
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