Kritik:
Was haben die
bibeltreuen Christen der USA nicht für einen Aufruhr um
diesen Film gemacht. Gotteslästerlich, blasphemisch und
respektlos sei Dogma angeblich, und Kevin Smith
würde hemmungslos den Katholizismus durch den Kakao
ziehen. Seltsam nur, daß alle schon vor den
ersten Previews wußten, was im Film
vorkommt.
Hätten
die Fundamentalisten sich die Mühe gemacht und den Film
wenigstens angesehen, hätten sie überrascht
festgestellt, daß Dogma im Gegenteil einer der
spirituellsten, menschlichsten und religiösesten Filme
seit langem ist. In langen, exzellent geschriebenen, aber
manchmal etwas zu langatmigen Dialogen erörtern die
Akteure diskriminierende Texte in der Bibel, den Schaden,
den dogmatische Religionen anrichten, und die Rolle der Engel
in der Schöpfung. Salma Hayek als Muse Serendipity
bringt es auf den Punkt und entlarvt die "wahren
Gläubigen" als das, was sie sind: faschistoide
Fanatiker. Sie sagt: "Es kommt nicht darauf an, wie man
glaubt, sondern der Glaube allein ist es doch, der
zählt!"
Neben
diesen schönen Szenen hat man genug Gelegenheit, die
launig agierenden Schauspieler zu bewundern, unter denen
besonders Alan Rickman als wunderbar frustrierter Seraphim
Metatron, Chris Rock als im doppelten Sinn ausgelassener
dreizehnter Apostel und die kanadische Sängerin Alanis
Morissette in der besten Rolle des Films als humorvoller
Gott positiv auffallen. Dagegen fallen die zwei
"Freunde" Ben Affleck und Matt Damon etwas ab und
vermögen es nicht ganz, glaubhaft böse Racheengel
darzustellen. Immerhin stimmt die Chemie zwischen den beiden
(hohoho). Auch Salma Hayek zeigt sich als
Muse nicht als bewegendes Talent, aber sympathisch und nett
anzusehen ist sie allemal.
Weiterhin
fällt auf, daß Dogma es tatsächlich
als erster Film in 110 Jahren Kinogeschichte wagt, Gott als
eine Frau abseits einer Sprechrolle zu zeigen. Zudem darf
die sympathisch-knackige Linda Fiorentino gekonnt eine
starke weibliche Heldin ohne männlichen Beschützer
geben - und wo gibt es sowas schon in Hollywood?
Normalerweise drehen sich Filme um Männer als
furchtlose Helden, denen höchstens ein zwar
attraktives, aber dummes und hysterisches Bunny zur Seite
gestellt wird. Sind die Frauen doch mal stärker
vertreten, dann müssen sie dennoch an der Schulter
eines Mannes Schutz suchen, wenn es brenzlig wird. Nicht so
in Dogma, der so unmerklich eine weitere kleine
Revolution über die Bühne bringt und dadurch noch
sympathischer wird. Man hat sogar den Eindruck, daß
die beiden Spaßvögel Jay und Silent Bob - die in
jedem Kevin-Smith-Film auftreten und von Jason Mewes und
Kevin Smith selbst routiniert, aber fast etwas zu nervig dargestellt werden - von Linda
Fiorentino beherrscht und geführt werden...
So
fährt Linda mit dem Apostel, Jay und Silent Bob gen New
Jersey, von guter Musik und einer leider lausigen Kamera
begleitet. Zwar sind die Dialoge so gelungen, daß
ihnen selbst die laue Synchronisation nichts anhaben kann,
aber die mittelmäßige Inszenierung schrammt oft
nur haarscharf an tödlicher Langeweile vorbei. Die
brutalen Angriffe der Hockey-Kids, Salmas Stripszene (eine
Salma-Hayek-Stripszene!) und den Angriff des Golgathaners
hätte Smith wohl besser einem Regisseur
überlassen, der etwas von Action und spannenden
Schnitten versteht. Eine Zusammenarbeit zwischen Michael Bay (für die Explosionen) und Kevin Smith
(für das Drehbuch) könnte ganz neue
Möglichkeiten der Filmkunst eröffnen. Wenigstens
die abschließenden Szenen, als Affleck vor der Kirche
herabschwebt und Gott und Metatron aus dem Nebel treten,
sind halbwegs passabel realisiert. Und die "Meep!"-Szene hat
fast noch mehr Klasse als "42" und entschädigt für
einige Editing-Schwächen.
Insgesamt
also ist Dogma ein sehr erheiternder, lakonischer
"Action"-Film mit prima Schauspielern, hervorragenden
Dialogen, originellen Einfällen und einer humanen
Botschaft, dem es aber ein bißchen an einer feurigen
Inszenierung mangelt. Aber Menschen haben halt
Schwächen.
von
5 Sternen.
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