Kritik:
Es wird Tag im
Wald. Frühnebel steigt langsam über dem
ünberührt blauen See auf, in dem sich die Wipfel
der stolzen Bäume spiegeln. Friedlich weidet ein Reh am
Ufer. Ein Mann tränkt sein Pferd, und die Musik spielt
eine seltsam vertraute, liebliche Weise. Es ist das
schönste Bild, das ich jemals gesehen habe. Ich
spüre das unbeherrschbare Verlangen, mir eine rote
Packung Zigaretten zu kaufen.
Aber ich
kann nicht: nach der Werbung fängt endlich der Film an.
Eine typische amerikanische Reihenhaus-Vorstadt, aus
Hunderten von Filmen so bekannt wie der eigene Weg zum
Bäcker - Suburbia, die blitzsauber-verquere
Erfüllung und gleichzeitige Enttäuschung des
American Dream. Kevin Spacey ist der frustrierte Angestellte
Lester Burnham mit einer umtriebig-frostigen Annette Bening
als Ehefrau und einer aufmüpfigen Thora Birch als
Tochter. Immer mehr geht ihm die Sinnleere seines Daseins
auf, ohne daß er etwas dagegen tun könnte.
Spacey, bisher eher für Bösewicht-Rollen bekannt,
gibt diesen ausgebrannten Mann mit so einer detailvollen
Hingabe und einzigartigen Leidenschaft, daß man nur
mit ihm lachen und staunen kann. Kongenial harmoniert er mit
der ebenfalls exzellenten, manchmal aber etwas nervig-unecht
heulenden Annette Bening und der wunderbar
melancholisch-verträumten Thora Birch als hohle,
moralisch entleerte, an fehlenden internen Vorbildern
leidende Familie mit glücklicher Fassade, in der die
schönen Rosen (Sorte: American Beauty) und das
Sofa wichtiger sind als die Beziehungen
untereinander.
Aber alles
ändert sich, als Lester bei einem Basketballspiel
Angela Hayes, die Freundin seiner Tochter, kennenlernt. Sie
ist das Produkt all der psychisch-erzieherischen, von der
modernen Konsumgesellschaft und den zerfallenden sozialen
Strukturen ausgelösten gesellschaflichen Verwerfungen -
lolitaesk schön, aber vulgär, gnadenlos eitel und
selbstbezogen, nach außen obszön, vorlaut und
unsensibel, in Wahrheit aber von dauernden Selbstzweifeln
und Unsicherheiten geplagt, nach außen poliert und
schillernd, im Inneren aber bereits verfault. Sie wird
boshaft-giftig-lasziv von der jungen Mena Suvari dargestellt
und wird so mit ihrer leicht vulgären Aura, den
großen Augen und dem wie bereits in der Kritik zu
American Pie (auch ein symptomatischer Titel)
besprochenen irritierend uneuropäischen Aussehen zur
idealen Verkörperung einer American
Beauty.
Lester also
erpreßt sich von seinem Boß fast so cool wie
Edward Norton in Fight Club eine dicke Abfindung,
trainiert etwas und kauft sich den Sportwagen seiner
Träume, während seine Frau ob seines
absonderlichen Verhaltens Schutz bei einem anderen Mann
sucht und seine Tochter sich in den Video-Freak von nebenan
verliebt. Dieser verträumte Ästhet wird von Wes
Bentley ebenso einfühlsam und nuancenreich dargestellt
wie sein Schwule und sich selbst hassender
Ex-Marine-Colonel-Vater von Chris Cooper. Dessen brutale und
völlig humorlose, tumbe
Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Ausstrahlung erinnerte mich, ich
kann nichts dafür, natürlich wieder an
einschlägige Gestalten beim größten
nationalen ABM-Dienstleister, der Bundeswehr - ein Beleg
für die Güte der Darstellung.
Der Junge verkauft Lester auf dem späten Trip
zurück in seine Jugend etwas Hasch und zeigt seiner
Tochter die Schönheit der zufälligen Bewegungen
eines Plastikbeutels im Wind - auch ein Symbol für
American Beauty, von der immer passenden,
hervorragenden Musik auch diesmal wieder prima untermalt und
von der auf lange, aber nie langweilige Einstellungen und
große Charakteraufnahmen vertrauenden Kamera
stimmungsvoll präsentiert.
Aber es
kann nur, es muß ja schiefgehen: die Fassade der
heilen Welt hält den Druck, der hinter ihr herrscht -
ausgelöst durch Lesters Rebellion - nicht mehr aus und
geht in einem mächtigen Feuerwerk in Flammen auf.
Zurück bleiben nur Fragmente und Tränen, und man
ist wieder einmal froh, nicht im nach außen
strahlenden, aber innerlich degeneriert-mutierten Amerika zu
leben, sondern in unserem reinen Europa, dem Hort der
Kultur, Ehrlichkeit und Offenheit. Andererseits aber ist
viel Licht dort, wo viel Schatten ist - der Januskopf der
American Beauty.
1/2 von 5 Sternen.
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